Das Leben ist kein Ponyhof
Seit fast zehn Jahren verbindet Sarah Burrini in ihrem Comic-Strip „Das Leben ist kein Ponyhof“ Absurdes und Alltägliches. Inzwischen sind drei Sammelbände als Bücher veröffentlicht worden – und jeden Montag gibt es online Nachschub. Ereignisse aus ihrem eigenen Leben und Betrachtungen aktueller politischer und sozialer Ereignisse kombiniert Burrini höchst unterhaltsam mit fantastischen Elementen wie den sprechenden Tierfiguren, die mit dem gezeichneten Alter Ego der Autorin in einer Wohngemeinschaft leben. In den vergangenen Jahren sind zunehmend auch kritische Kommentare zu aktuellen gesellschaftlichen Diskursen wie dem wachsenden Rechtspopulismus, Fake-News-Vorwürfen oder Sexismus hinzugekommen.
Neben humorvollen und mit kulturellen Anspielungen gespickten Dialogen der Hauptfigur über den Alltag als freiberufliche Zeichnerin oder das Älterwerden, ihre Ateliergemeinschaft oder Burrinis Leidenschaft für Nutella gibt es immer wieder längere Erzählstränge, in denen der Alltagsbezug aufgehoben wird und die Handlung in einem komplett fiktiven Kontext fortgesetzt wird. Zwischendurch tritt die Erzählerin dann immer wieder aus der Comic-Rahmenhandlung heraus und erinnert den Leser daran, dass es auch noch eine Realität jenseits des Comics gibt.
Und hin und wieder wird aus der Comic-Sarah-Burrini das mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Nerd Girl – deren Geheimwaffen sind ein rasiermesserscharfer Umhang aus alten Comicseiten, eine von zahllosen Computerspielen gestählte Fingerfertigkeit und ein Kampfschrei, der aus einer Flut an unnötigem Wissen aus der Popkultur besteht. Mit dieser Figur persifliert Burrini die schlichte, von einfachen Lösungen geprägte Welt vieler Superhelden-Comics ebenso wie deren überholte Geschlechterrollen.
Der besondere Charme der cartoonhaft gezeichneten und sich an klassischen Zeitungsstrips orientierenden Reihe ergibt sich aus dem Wechselspiel von jugendlich wirkender Fantasie und erwachsenem Reflexionsvermögen sowie aus der spielerischen Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Comics. Sarah Burrini verfügt über ein tiefes Verständnis der Tradition der Kunstform, gepaart mit postmodernem Reflexionsvermögen, dazu kommt ein fundiertes handwerkliches Können. So zeigt sie ihren Leserinnen und Lesern Woche für Woche, dass der Comic-Strip auch mehr als 120 Jahre nach seiner Entstehung noch Geschichten zu erzählen hat, die es so nirgendwo anders gibt.
Lars von Törne