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Geisel

© Guy Delisle / Reprodukt

GeiselvonGuy Delisle

Übersetzung: Heike Drescher

Reprodukt

Leseprobe

Im Juli 1997 wurde Christophe André, ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen, im Kaukasus entführt. Seine Gefangenschaft dauerte 111 Tage, die er größtenteils in einem nackten Zimmer verbrachte, mit Handschellen an eine Heizung gekettet. Der Franko-Kanadier Guy Delisle, dessen Reportagen aus Städten wie Jerusalem und Pjöngjang zu internationalen Bestsellern avancierten, zeichnet in „Geisel“ die Leidensgeschichte Christophe Andrés auf. „Geisel“ ist 432 Seiten dick; der Stil ist einfach und reduziert, die Seitenaufteilung ist gleichförmig und der blaue Farbton kühl, geradezu unangenehm. Delisle inszeniert die Geiselhaft nicht als Action-Spektakel, sondern schildert, im Gegenteil, die bedrückende Langeweile, das zermürbende Warten, die endlose Wiederholung alltäglicher Routinen und mehr noch – er macht sie spürbar. Guy Delisle erzählt nicht viel, und trotzdem schafft er einen hoch spannenden erzählerischen und atmosphärischen Sog, dem sich der Leser nicht entziehen kann, bis er die Gefangenschaft tatsächlich aus Andrés Perspektive wahrnimmt. „Geisel“ ist ein beeindruckendes Buch: Noch nie war Langeweile so spannend und dramatisch ...