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Zeich(n)en der Zeit – Comic-Reporter unterwegs

© Victoria Lomasko

Zeich(n)en der Zeit – Comic-Reporter unterwegs

27. Mai bis 26. AugustStadtmuseum

Öffnungszeiten: 

Di/Mi 9–17, Do 9–20, Fr 9–17, Sa/So 11–17 Uhr
Sonderöffnungszeiten 31. Mai bis 3. Juni: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Erlangen und dem Deutschen Comicverein

Eintritt: 4,– / erm. 2,50 Euro
mit Salon-Ticket Eintritt frei!

Während in Frankreich, den Niederlanden und den USA in den letzten Jahren zahlreiche comic-journalistische Initiativen aus dem Boden geschossen sind, wird die Disziplin im deutschsprachigen Raum noch kritisch beäugt. Das scheint verwunderlich, wird doch im Journalismus nahezu obsessiv nach neuen, innovativen Formaten gesucht. Vereinzelte Sondernummern des Zürcher Magazins „Strapazin“ fallen auf, ebenso Vorstöße von Arte in Zusammenarbeit mit dem Berliner Zeichner Bo Soremsky. Das 2017 begonnene Projekt „Alphabet des Ankommens“ des Deutschen Comicvereins war das erste innerhalb Deutschlands, in dem Zeichnerinnen und Zeichner mit Journalistinnen und Journalisten gezielt zusammengebracht wurden. Auch Ulli Lust begibt sich mit ihren dokumentarischen Comics auf journalistisches Gebiet. Diese Ansätze sind aber noch immer singulär.

Oft fangen die Fragen schon bei der Bezeichnung an: Was soll Comic-Journalismus überhaupt sein? Grundsätzlich erst einmal das, was der Begriff ausdrückt: journalistische Beiträge jeglichen Formats in Comic-Form. Das können Hintergrundberichte, Interviews, Reportagen oder Features sein. Historisch betrachtet ist die Kombination journalistischer Texte und grafischer Elemente nichts Neues. Vor der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert waren Presse-Illustrationen weit verbreitet. Dem Siegeszug der Fotografie konnten sie jedoch kaum etwas entgegensetzen. Auch wenn Presse-Illustrationen nie ganz ausstarben, dauerte es bis in die 1990er-Jahre, bis Journalismus und Zeichnung wieder spektakulär zueinander fanden. Als „Erfinder“ des Comic-Journalismus wird gemeinhin der amerikanisch-maltesische Journalist und Zeichner Joe  Sacco genannt, der mit „Palestine“ das erste große comic-journalistische Werk veröffentlichte.

Seither interessieren sich immer mehr Comic-Zeichnerinnen und -Zeichner für das Format Reportage: Mit Patrick Chappatte, Olivier Kugler, Sarah Glidden, Victoria Lomasko, Carlos Spottorno und Guillermo Abril sowie Guy Delisle zeigt die Ausstellung einige wegweisende Beispiele. Ein Vorreiter auf dem Gebiet des redaktionsgebundenen Comic-Journalismus ist die „Revue Dessinée“ aus Frankreich. Seit der ersten Ausgabe 2013 erreicht das Magazin immer mehr Leserinnen und Leser mit investigativen Reportagen, Kolumnen und Hintergrundberichten. Parallel dazu verlegen sich viele Comic-Journalistinnen und -Journalisten aufs Internet, dessen multimediale Möglichkeit sie in ihren Reportagen ausreizen. So veröffentlicht das US-amerikanische Onlinemagazin „The Nib“ mittlerweile nicht nur statische Comics im „Scrollytelling-Format“, sondern auch animierte Karikaturen und Kurzfilme.

Die Niederländerin Eva Hilhorst hat mit „Drawing the Times“ eine sehr erfolgreiche digitale Plattform für englischsprachigen Comic-Journalismus aus der ganzen Welt geschaffen. An ihrem Beispiel zeigt sich exemplarisch eines der wesentlichen Charakteristika des Comic-Journalismus: Da es sich um eine Disziplin handelt, die sich kaum auf Veröffentlichungs- und Förderstrukturen stützen kann, ist die internationale und intradisziplinäre Zusammenarbeit umso wichtiger. Trotz Divergenzen in Bezug auf Selbstverständnis, künstlerischen Ansatz und Themensetzung ist diese informelle Comic-Journalismus-Allianz mittlerweile sehr erfolgreich. Die Ausstellung „Zeich(n)en der Zeit“ gibt einen Überblick über die journalistischen und künstlerischen Höhepunkte ihrer Produktion.
Lilian Pithan